der grüne Sternvon Marco Paul Schott DIN A 6, ca. 180 Seiten. Preis: 12.90 Euro *inkl. Mwst. zzgl. Versandkosten Ab einem Warenwert von EURO 50,00 versenden wir innerhalb Deutschlands und EU versandkostenfrei! Widerrufsbelehrung |
"Ich ging damals in ein zerbrochenes Haus und öffnete eine Tür.
Ansonsten geschah nichts.
Die Sonne sollte aufgehen.
Sie tat es auch.
Aber nicht jetzt."
Die Wolken treiben vor dieser Nacht, aufgerissen vom Wind liegt das tiefblaue
All vor mir. Ich stehe da und überlege, ob es irgendwo brennt. Denn die
Wolken sehen nicht aus wie Wolken. Jemand musste das Universum angezündet
haben.
Ich saß mit meinen Eltern und meiner Schwester in einem Zug, es war so
ein Hochgeschwindigkeitszug. Man kann in diesen Zügen von hinten bis nach
vorne durchlaufen. Meine Eltern saßen am Fenster und ich saß meiner
Schwester gegenüber. Ich tat so, als würde ich schlafen, doch in Wirklichkeit
lauschte ich dem, was meine Eltern sprachen, obwohl es Belanglose Dinge waren,
über das sie sprachen. Irgendwann öffnete ich meine Augen und sah
meine Schwester. Sie saß vor mir und blätterte in einem Comic herum,
ich weiß nicht mehr, in was für einem, sie schien inspiriert, als
sie bemerkte, das ich sie anschaute, zwinkerte sie mir kurz zu, und beugte sich
zu mir rüber, sie flüsterte mir in mein Ohr, sie meinte, dass wir
uns nie aus den Augen verlieren würden. Ich war darüber etwas verwirrt.
Der Zug ratterte heulend durch die Nacht und ich hatte den Gedanken, das Abteil
zu verlassen. Meine Eltern schauten beide aus dem Fenster und blickten teilnahmslos
in die Nacht, keine Ahnung, was sie dort suchten.
Der Zug heulte mit rasender Geschwindigkeit über die Gleise, die Lichter
vor dem Fenster zogen in der Ferne relativ langsam vorbei. Irgendwie hatte ich
ganz vergessen, wohin eigentlich die Fahrt ging. Ich sagte nichts, meine Eltern
schwiegen. Das rote Oberteil meiner Schwester, auf dem eine Comicfigur war,
sah leuchtend aus. Wir waren allein in unserem Abteil. Mein Blick ging in Richtung
Tür. Eine gläserne Schiebetür trennte unseren Raum vom Korridor.
Ich sagte leise, dass ich auf die Toilette müsse und stand auf. Meine Mutter
und mein Vater schauten mich kurz an, meine Mutter nickte zustimmend. Meine
Schwester blätterte weiter, in ihrem Comic. Ich verließ unser Abteil
und wankte etwas unsicher den Korridor entlang, die meisten Leute waren in ihrem
Abteil. Vereinzelt standen welche davor und starrten aus den Fenstern in dieselbe
Nacht, in die auch meine Eltern starrten. Ich ging an der Toilette vorbei. Ich
kam an unzähligen Abteils vorbei: In einigen brannte Licht, andere wiederum
waren dunkel. Manchmal sah ich, wie mich die Blicke der Leute trafen. Ich ging
weiter. Langsam, aber ohne anzuhalten, ging ich immer weiter in Richtung Spitze
des Zuges. Irgendwann wurde es etwas dunkler im Korridor und da ein Fenster
offen war, blies mir ein kalter scharfer Wind ins Gesicht. Aus einem offenen
Abteil wehte ein brauner Vorhang heraus. Ich ging daran vorbei und ich wunderte
mich über die Verlassenheit, immer weniger Leute waren zu sehen. Wenn,
dann sahen sie sehr seltsam aus, sie schienen mit offenen Augen zu schlafen.
Ich ging weiter durch ein Restaurant, auf den Tischen stand allerhand Zeug herum,
so als hätte hier nie jemand etwas abgeräumt. Da auch dort ein Fenster
offen war, wehte mir wieder ein eisiger Wind ins Gesicht und rosafarbene Servietten
wirbelten wild um mich herum. Da das Fenster offen war, war das Heulen des Zuges
noch deutlicher zu hören. Wir rasten mit einer unglaublichen Geschwindigkeit
durch die Nacht. Langsam fing ich an, mich unwohl zu fühlen, und kurz hatte
ich den Gedanken, dass es vielleicht besser ist, wenn ich wieder umkehren würde,
aber das war unmöglich, aus irgendeinem Grund, musste ich weiter gehen.
Dann fing ich an, mir Sorgen um meine Eltern und um meine Schwester zu machen.
Ich ging weiter, bis ich zu einer Tür kam, dahinter sind bestimmt die Lokführer.
Ich fühlte mich etwas erleichtert, denn auf der letzten Strecke war ich
keiner Seele mehr begegnet. Die Vorstellung mit ihnen sprechen zu können,
gab mir Hoffnung. Vielleicht könnten Sie mir viele Interessante Dinge,
über diesen Zug erzählen. Was aber, wenn die Tür nicht zu öffnen
ist? Dann bliebe mir nichts anderes übrig, als wieder umzukehren. Doch
sie ging auf, dahinter war es relativ dunkel, nur ein gelbes Notlicht zeigte
mir den Weg zum Zugführer. Ich ging weiter und bald sah ich ein Fenster,
das die Gleise vor uns sichtbar machte. Sie flogen förmlich unter uns hindurch.
Ich ging näher heran und sagte leise Hallo, ich wollte niemanden erschrecken.
Ich blickte kurz links aus dem Fenster, die Bäume rasten sehr schnell an
uns vorbei, wie schnell wir wohl sind? Überlegte ich. Ich ging weiter und
als ich dort ankam, wo sich der Zugführer hätte aufhalten müssen,
sah ich nur die verstaubten Instrumente und einige verlassene Lichter, die blinkten.
Ich fühlte Verzweiflung, da es niemanden gab, der den Zug fuhr. Ich fühlte
Angst. Ein offenes Fenster wirbelte ein Blatt Papier durch die Luft. Eine schreckliche
Tatsache: Wir rasen führerlos in ein Nichts. Ich dachte an meine Schwester
und an ihre Ahnungslosigkeit, dann fing ich an zu heulen. Ich musste laut schreien,
ich schrie mir die Kehle aus dem Hals, fast lauter als das Heulen des Zuges.
Ich bin von meinem eigenen Geschrei aufgewacht.
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