![]() ISBN 978-3-940640-29-1 |
Mara Manusvon Hans-Joachim Schmidt DIN A 6, ca. 167 Seiten. Preis: 9.90 Euro *inkl. Mwst. zzgl. Versandkosten Ab einem Warenwert von EURO 50,00 versenden wir innerhalb Deutschlands und EU versandkostenfrei! Widerrufsbelehrung |
-1-
Dumm gelaufen
Meinen ersten sexuell geprägten Kontakt hatte ich mit vierzehn Jahren.
Es war nicht unbedingt mein Wunsch, aber in diesem speziellen Fall eine Notwendigkeit.
Meine Zensuren ließen mehr als zu wünschen übrig. Um dies zu
ändern, musste ich Maßnahmen ergreifen. Nichts heiligte den Zweck
besser, als die Mittel, die ich geben konnte.
Unser Mathelehrer, ein alter Sack der alten Schule, war das Opfer. Mann hat
der sich gesträubt, er erzählte mir was von, ich habe doch Verantwortung
und was von Schutzbefohlenen, so ein Scheiß dachte ich. Was er mir auch
verkaufen wollte, nur seiner Verantwortung wegen.
Aber er war doch ein Mann, zumindest vom Äußeren her. Und Bingo,
er war nachher nicht mehr zu stoppen. Er stieß mich auf den Lehrertisch
und stöhnte ein letztes Mal, noch vor seinem angestrebten Geschlechtsverkehr,
wobei, soweit hätte ich es ohnehin nie kommen lassen, aber Illusionen kann
man doch wecken, klatschte er förmlich vom Tisch, wie ein, mit Wasser gefüllter
Gummiball und blieb dort regungslos liegen. Unbeeindruckt von seinem Zustand,
zuppelte ich meine Kleidung zurecht und holte den Direx.
Der hat vielleicht ein Aufstand gemacht. Er wunderte sich, dass sich seine Hosen
unterhalb der Kniekehle befanden, und fragte: "Was ist mit dem passiert."
"Keine Ahnung, wo nach sieht denn das hier aus," sagte ich. Der Direktor
wollte dem Alten die Hose hoch ziehen und ihn auf einen Stuhl setzen.
"He," sagte ich, "wollen sie allen Ernstes den Tatort verändern?
Sie wissen doch, dass das strafbar ist. Wie von Blitz getroffen hat der den
Mathelehrer fallen lassen.
Schließlich lief alles auf einer Aussage bei der Polizei hin.
Natürlich gab ich mich jungfernhaft und unschuldig.
"Er wollte Sex von mir", sagte ich den Beamten, "und als ich
dankend ablehnte, wollte er nur noch vor mir onanieren. Der muss es wohl dabei
übertrieben haben."
Letztendlich durfte ich gehen und zu allem Überfluss, tat es den Herren
noch leid, dass ich so etwas mitmachen musste. Eine Psychologin wurde mir darauf
hin zur Seite gestellt. Meine Mutter hat den Direktor so was von zusammen geschissen
und behielt sich eine Anzeige vor.
Schade nur, dass ich von dieser Aktion nicht profitierte, denn er hatte einen
Herzkasper, noch bevor er mir eine bessere Note hätte eintragen können.
Schon ein paar Tage später bekamen wir dann einen neuen Mathelehrer, fast
frisch von der Schule. Er sah ganz passabel aus. Ein bisschen größer
hätte er sein können, aber gut, eins fünfundsechzig ist ja auch
was, was soll`s. Den bekomme ich auch hin. Die kleinen sind entweder große
Leute oder große Weicheier. Für mich stand fest, ihn irgendwann zu
prüfen, man will ja wissen, mit wem man es zu tun hat.
Jetzt erst mal haben aber andere Sachen für mich oberste Priorität
und der Neue wird mir ja nicht wegrennen.
Ein Junge aus der Zehnten hat ein schickes neues Handy und das hätte ich
gern. Seit Tagen gafft er mir schon hinterher und grinst immer dabei so blöde,
aber ich habe den immer abblitzen lassen. Jetzt muss ich doch mal unbedingt
sehen, wie er sich verhält, wenn ich schüchtern nach ihm frage. Natürlich
kann ich nicht irgendwo nach ihm fragen, es muss schon richtig einschlagen.
Also ging ich zu der Tussi, die da so ein bisschen das Sagen hat. Jedenfalls
bildet diese Kuh sich das so ein. Ich dagegen würde da eher auf Kampflesbe
bei ihr tippen, und genau deswegen gehe ich zu ihr und werde mal zwei Fliegen
mit einer Klappe schlagen, denn die gafft genau so wie der Typ.
Wie ich so den Flur lag trotte, um eventuell Uschi zu treffen, sah ich doch
den Berny aufs Scheißhaus gehen und das während des Unterrichts.
Schnurstracks bin ich gleich hinter ihn aufs Jungenklo und machte auch gleich
einen auf verirrt. Dieser Trottel ist sofort darauf reingefallen. In dieser
Hektik habe ich schon mal maß bei ihm genommen, natürlich ungewollt.
Der ist angelaufen wie eine Tomate. Wenn man aber seine Sprüche hört,
was und wen der alles flach gelegt hat, dann kann das doch nicht wahr sein.
Der ist doch hundertprozentig noch Jungfrau.
Jedenfalls habe ich mich gleich verpfiffen, wollte ja nicht, dass uns Uschi,
die Kampflesbe, durch Zufall sieht. Leider ist es hier an der Schule so, dass
jeder kommen und gehen will, wenn er Lust dazu verspürt. Also, sagen wir
mal so, wer hier was Relevantes lernt, ist selber schuld. Wenn ich mir überlege,
dass ich die Schule mehr von außen als von innen sah und trotzdem in der
achten Klasse bin, dann wundert es mich schon. Mich selbst hätte ich jedenfalls
nicht versetzt.
Die Pausenklingel schellte zur großen Pause. Jetzt wusste ich, würde
ich Uschi auf jeden Fall antreffen, denn die steht immer ganz hinten an der
Sporthalle und raucht eine mit den Milchbubis. Die kommen sich immer so knüppelhart
und männlich vor, wenn sie eine Lulle zwischen den Zähnen haben. Und
Uschi denkt, dass sie unentbehrlich und unwiderstehlich ist. Wenn die über
den Schulhof latscht, dann könnte ich das große Kotzen kriegen. Da
ich mich aber vor nichts ekele, bin ich auch gleich zu ihr hin, machte ihr schöne
Augen und gab ihr ein flüchtiges Küsschen.
"Uschi," sagte ich, "kannst du mir sagen, wo Berny ist."
"Was, du suchst Berny diesen Volltrottel," fragte Uschi fast wütend.
"Ja, der ist doch Süß," log ich mit Schmollmund.
Die Uschi ist bald ausgerastet, die wird mir doch hier keine Szene machen, dachte
ich.
"Nu beruhige dich mal Uschi, du bleibst mir doch trotzdem erhalten,"
sagte ich.
Ich glaube es nicht, die Uschi hat ihre Kippe in den Sand gehauen und ist wie
ein Sausewind abgehauen.
Sollte ich sie ertappt haben, dass sie was von mir will. Na, ich werde ja sehen,
auf alle Fälle werde ich sie mir mal warmhalten, wer weiß, was sie
nicht alles für einen tun kann.
Als ich wieder ins Schulgebäude ging, um meinen nächsten Unterricht
in Angriff zu nehmen, bin ich doch tatsächlich gegen Herrn Kurz geknallt.
"Oh, Entschuldigung Herr Klein," sagte ich.
"Kurz, Herr Kurz ist mein Name," erwiderte er.
"Ach ja, ich war mir nicht ganz sicher, ob Kurz oder Klein," sagte
ich.
Er beruhigte mich und erwähnte, dass es schon öfter zu solchen Verwechslungen
kam.
"Na ja," sagte ich, es ist schon ein gewaltiger Unterschied ob Kurz
oder Klein.
Stumm, aber sichtlich irritiert verließ er unser ungewolltes Gespräch.
So wie der sich benahm, habe ich den Kurzen im Sack. Ich glaube, wenn der mal
ne richtige Votze sieht, ruft der den ABV.
Ein ABV war ein Abschnittsbevollmächtigter gewesen, so erzählte es
mir mein Vater, einer von der Polizei im ehemaligen Osten und in der Regel Unterleutnant
oder sogar Leutnant, manchmal aber eher selten waren es auch Polizeimeister.
Auf jeden Fall wurden diese Leute geholt, wenn es was zu klären gab, so
zusagen, Klärung eines Sachverhalts. Papa sagte immer: "Einen Dümmeren
hätte man nicht anfordern können, um einen Sachverhalt zu klären."
Deswegen habe ich mich mal mit Papa in den Haaren gehabt, ich war der Meinung,
dass man nicht Leutnant wird, wenn man blöd ist. Er aber sagte: "In
der ehemaligen DDR war es schon möglich, als dummer Mensch Leutnant zu
werden, da sind schon viel dümmere viel mehr geworden. Man brauchte nur
die Fahne richtig im Wind hängen und schon war die Sache Perfekt."
Und die, sagte Papa, die trotz Schulung nicht wussten, warum sie die Fahne in
den Wind hängen mussten, weil die einfach die Zusammenhänge nicht
gerafft haben, sind dann eben ABV geworden.
Da man ja immer zuhören soll, wenn die Eltern was sagen und aus ihren Anweisungen
lernen soll, tue ich dasselbe um meine Ziele zu erreichen. Ein bisschen abgewandt,
aber angewandt.
Mein Papa wäre bestimmt stolz auf mich, wenn er noch leben würde.
Er hat auch die Fahne hoch in den Wind gehängt, aber auf der Fahne stand
drei Komma zwei Promille. Er sah schrecklich aus, als ich ihn im Krankenhaus
besuchte. Alles war an ihm verdrahtet und aus fast jeder Körperöffnung
kamen Schläuche. Nur weil Mama im Zorn sagte, dass sie sich scheiden lassen
wird, wenn er weiter zu Hause rum lungert.
Das nächste Arbeitslosen-Geld, was er bekam, hat er mit anderen versoffen.
In seiner Hosentasche hat die Polizei noch einen herzzerreißenden Abschiedsbrief
gefunden. Mama hatte Papa so sehr geliebt, dass sie ihn folgen wollte. Dank
meines großen Bruders Willi ist die Sache noch mal gut ausgegangen.
Ja mein Bruder Willi, er ist mehr als das doppelt so alt wie ich. Er hat immer
zu mir gehalten. Nie war er grob zu mir. Alle Wünsche hat er mir von den
Augen abgelesen. Einen besseren Bruder kann man nicht bekommen. Er sagte mal
zu mir, dass, wenn es beim ersten Mal geklappt hätte, dann hätte er
auch ein Kind in meinem Alter. Aber so bin ich als Spätzünder von
Mama und Papa entstanden. Jetzt arbeitet mein Willy im Ausland, da sehe ich
ihn nur noch ein zwei Mal im Jahr. Mama weint öfters in der Nacht, wegen
Papa und Willi, da gehe ich dann zu ihr rüber und wir reden dann. Sie glaubt
noch immer, an Papas Tod schuld zu sein.
Einmal wollte ich von Mama wissen, warum sie mich Mara nannten.
Dann erzählte sie mir die Geschichte, wie sie Papa kennenlernte. Sie sagte,
dass Papa sie zu dem Lied Mara vom Demis Roussos zum Tanzen aufgeforderte habe
und dass es bei diesem Lied zwischen ihnen sofort gefunkt hat. Stolz sagte sie,
dass Willy in der Nacht entstanden ist.
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